Valle de Ordesa – Die beliebteste Wanderung in den Pyrenäen
Das Valle de Oresa im Parque Nacional de Ordesa y Monte Perdido ist die beliebteste Wanderung in den Pyrenäen und ein absolutes Muss.
Die Zufahrt zum Nationalpark ist nur per Bus möglich. Wir haben die Fahrkarten bereits am Vortag gekauft und können uns am Montag, 05.09.2022 gleich in die lange Warteschlange an der Bushaltestelle einreihen. Manfreds Befürchtungen, dass wir keinen Platz bekommen könnten, waren umsonst. Außerdem fahren die Busse alle 15-20 Minuten, also wäre das ohnehin kein großes Problem gewesen. Einige Passagiere, die unterwegs zusteigen wollen, sehen offensichtlich das „Completo“-Schild nicht, auf das der Fahrer deutet und winken aufgeregt und aufgebracht, als der voll besetzte Bus einfach an ihnen vorbeifährt. Der Fahrer gibt sofort einen Funkspruch durch, dass im nächsten Bus ein paar Plätze für die wild gestikulierenden verhinderten Fahrgäste freigehalten werden sollen.
Auf der gewohnt kurvenreichen und engen Passstraße sind wir ganz froh, dass wir nicht selbst fahren müssen. Bei dem Andrang, der hier herrscht, wäre das noch stressiger geworden als auf unseren bisherigen Fahrten, die vor allem Manfred ziemlich auf die Nerven und mir außerdem auch noch zunehmend auf den Magen gehen, der schon seit Tagen Probleme macht. Ohne verschreibungspflichtige Tabletten vom Hausarzt wäre diese Reise gar nicht möglich.
Erinnerungen an den Bayerischen Wald
Aber jetzt freuen wir uns erst mal auf eine schöne Wanderung in atemberaubender Natur. Dass die viel gepriesenen Kaskaden im Fluss nach dem trockenen Sommer nicht mehr so beeindruckend aussehen wie auf der Paradeaufnahme im Wanderführer, ist uns klar. Dass die berühmte Cascada Cola de Caballo (Pferdeschwanz-Wasserfall) am Ende der Tour kaum noch Wasser führt, habe ich am Tag zuvor in Erfahrung gebracht, indem ich im Informationszentrum beim Parkplatz in Torla nachgefragt habe.
Dass die Tour teilweise durch Wald verläuft, wussten wir auch vorher, aber nicht, dass bis zu den Kaskaden gefühlt mindestens 80 % im Wald sind. Wir wussten auch nicht, dass man den Wildbach, an dem man entlang wandert, die meiste Zeit maximal hört, aber nicht sieht. Zur allgemeinen Enttäuschung gesellen sich Erinnerungen an unsere Wanderung in der Buchberger Leite, der spektakulärsten Klamm im Bayerischen Wald, die wir besser in Erinnerung haben als die viel gepriesene beliebteste Wanderung in den Pyrenäen. Da kommt man viel näher ran und es gab im Herbst auch eine Menge Pilze und bunte Blumen. Wir stellen wieder einmal in Frage, ob sich die weite Anreise und die mühsamen Passstraßen lohnen, wenn man aus Bayern kommt und nur 150 km von den Alpen bzw. dem Bayerischen Wald entfernt wohnt.
Knie-Probleme und wenig Spaß
Die Wanderung ist zwar technisch einfach und entsprechend gut besucht, aber trotzdem sehr unangenehm zu gehen mit vielen Felsbrocken und Steinen auf dem Weg. Manfred knickt mehrfach um und ich spüre ziemlich bald das linke Knie, das ich mir schon zweimal nach Fahrradunfällen verletzt habe und das seitdem immer wieder Probleme macht. Scheinbar hat das Ganze niemandem so wirklich Spaß. Wir haben echt noch auf keiner Tour so viele mürrische und unentspannte Gesichter gesehen wie im Valle de Ordesa.
Wettersturz kommt uns entgegen
Als wir endlich aus dem Wald
raus sind, ist der Himmel genauso bewölkt wie unsere Stimmung und es sieht
verdächtig nach Regen oder Gewitter aus. Bis zur Cascada Cola de Caballo müssten
wir noch eine Stunde (einfache Strecke) in steilem und felsigen Gelände
zurücklegen. Dass der Wasserfall nach dem trockenen Sommer kaum noch Wasser
führt, hat uns am Vortag die Angestellte im Informationszentrum bestätigt. Der
Monte Perdido (verlorener Berg), mit 3.335 m höchste Gipfel im Nationalpark,
verliert sich sicher in den dichten Wolken und wäre wohl eh nicht zu sehen
gewesen. Außerdem macht mein Knie immer mehr Probleme. So gesehen kommt uns der
Wettersturz beinahe entgegen, weil uns so das Umdrehen nach den Kaskaden
leichter fällt. Insgesamt würde die Wanderung ca. 6 Stunden dauern. Das ist
normalerweise kein Problem für uns. Im Südwesten der USA nehmen wir solche
Strapazen gerne auf uns und wir haben auch in anderen Ländern und in den Alpen
und im Bayerischen Wald schon lange Wanderungen unternommen. Aber hier macht es
einfach überhaupt keinen Spaß und der Frust über die gesamte Reise wird immer
größer.
Bei einer kurzen Mittagspause am Wildbach kommt eine englischsprachige Gruppe an, die natürlich weitergehen will. Der Guide bietet uns noch an, ein Foto von uns zu machen, nachdem er seine Schützlinge mit Kartoffelchips versorgt hat. Ich bedanke mich auf Spanisch und dann treten wir den Rückweg an.
Ab und zu kreisen ein paar Geier über der Schlucht, einmal wieder ca. zehn, aber sehr weit weg und sehr weit oben.
Geschafft und erleichtert
Auf dem Rückweg kommen uns immer mehr Leute entgegen. Alle Viertelstunde kommt ein vermutlich voll besetzter Bus an. Als wir nach gut vier Stunden zum Ausgangspunkt der Wanderung zurückkommen, fährt uns ein Bus vor der Nase davon. Dafür können wir im nächsten ganz vorne sitzen und die Schlucht bewundern, die von der Straße aus besser aussieht als auf der Wanderung.
Mit gutem Blick auf die Straße sind wir wieder froh, dass wir diese Strecke nicht mit dem eigenen Auto fahren müssen, weil sie natürlich wieder eng und kurvenreich ist und bei den vielen Leuten, die die beliebteste Wanderung der Pyrenäen machen, sicher das absolute Verkehrschaos herrschen würde. Außerdem sind wir erleichtert, weil wir diese Pflicht-Tour wenigstens so halbwegs hinter uns gebracht haben und gönnen uns ein Eis und eine Cola auf der Terrasse der Pizzeria in der Nähe unseres wirklich guten Hotels, bevor wir uns an die Planung des nächsten Tages machen.